Nachrichten und Politik 2.0

Printmedien, wie z. B. die mittlerweile insolvente Redaktion der Financial Times Deutschland, sehen sich seit Monaten (meist) kostenlosen Onlineangeboten gegenüber, die aktueller und flexibler als klassische Kanäle sind. Welche Macht z. B. Google gegenüber den Nachrichtenredaktionen ausübt wird deutlich, wenn man bedenkt mit welcher Rücksichtslosigkeit das Unternehmen Ende 2012 gegen belgische Verlage vorgegangen ist: Google strich sie kurzerhand aus dem Suchindex, weil diese mit Strafzahlungen wegen Urheberrechtsverletzungen gedroht hatten. Erst eine Vereinbarung, dass die Verlage ab sofort mit Google AdWords (kostenpflichtig versteht sich) für sich werben würden, führte wieder dazu, dass die Verlage und ihre Nachrichten in der Google-News-Suche auftauchten.

Auch deutsche Medien nutzen das Web 2.0: ARD und ZDF haben umfangreiche Mediatheken aufgebaut (aus öffentlichen Geldern und sehr zum Verdruss der privaten Medienanstalten) und hinterlegen fast alle Sendungen mit Hinweisen zu Onlineangeboten.

Regierungen und Regime der westlichen und der islamischen Welt nutzen das Web 2.0 intensiv, um z. B. während des arabischen Frühlings die jeweiligen Ansichten darzulegen, die öffentliche Meinung zu manipulieren und die jeweiligen Anhänger zu mobilisieren.

Aber nicht nur Regierungen und Nachrichtenetzwerke nutzen diese Dienste für sich: Wer will, kann sich seit einiger Zeit viel Unnützes und Zotiges, manchmal aber auch Informatives von unseren eigenen Volksvertretern auf Plattformen wie Twitter durchlesen. Denn kaum ein anderes Medium des Web 2.0 wird derart intensiv von Politikern zur Selbstdarstellung genutzt.

Auch viele Parteien nutzen mittlerweile Facebook und sind über Plattformgrenzen hinweg im Internet vertreten. Nicht zuletzt das Web 2.0 hat den Ausgang der Wahl in Niedersachsen, laut Umfragen der Statistiker, beeinflusst: Vor allem die Grünen und die FDP haben kurz vor Ende des Wahlkampfes massiv Stimmen durch großangelegte Onlinekampagnen gesammelt.

Das Web 2.0 trägt aus meiner Sicht sehr zu einer schnelleren, aber nicht unbedingt kritischeren Meinungsbildung der Öffentlichkeit bei. Es suggeriert Objektivität wo keine ist. Es schafft Fakten wo abgewogen werden sollte. Aber es ermöglicht auch Menschen den Zugang zu Informationen die vorher keine Chance darauf hatten. Diese Chance überwiegt für mich viele der oben genannten Nachteile, denn kritisch zu sein ist die Aufgabe eines jeden Menschen – und nicht die des Web 2.0!

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